Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen

(Bernhard Götz. Notar a.D.)

 

Vorsorgevollmachten gehen nicht nur Senioren, die sich allerdings am häufigsten dafür interessieren, sondern auch jüngere Menschen an. Für letztere können bei schweren Krankheiten, Unfällen oder weiten Reisen Vorsorgevollmachten, zumindest einfache Vollmachten notwendig sein. Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen sind erst seit neuerer Zeit "in".

Vorsorgevollmachten wurden nämlich mit dem Betreuungsgesetz (BtG) vom 12.9.1990, mit dem Vormundschaften und Pflegschaften abgeschafft wurden und durch das einheitliche Institut der Betreuung ersetzt wurden, ausdrücklich im Gesetz erwähnt, besonders gefördert und für erwünscht erklärt. Mit den Vorsorgevollmachten sollen die aufwendigen staatlichen Betreuungen, die durch die Vormundschaftsgerichte angeordnet und überwacht werden müssen, nach Möglichkeit vermieden werden.

Patientenverfügungen rückten ins Blickfeld des Interesses durch den Fortschritt der Medizin in den letzten 30 Jahren. Deshalb ist das ganze Rechtsgebiet noch in der Bewegung der Meinungen. Mit neuen Entwicklungen ist weiterhin noch zu rechnen trotz der gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung im Jahr 2009.

Zur Abgrenzung und Unterscheidung folgende Übersicht:

Unterscheidung Vorsorgevollmacht / letztwillige Verfügung

-Die Vorsorgevollmacht sorgt für den Vollmachtgeber selbst. Sie stellt die Regelung von Rechtsgeschäften zu Lebzeiten sicher. Sie ist grundsätzlich nicht geeignet zur Übertragung von Vermögen auf den Bevollmächtigten, insbesondere nicht für den Todesfall.

-Die Patientenverfügung hat mit einem Testament nichts gemeinsam, auch hier werden Wünsche zu Lebzeiten geregelt.

-Die letztwillige Verfügung (Testament) bewirkt den Übergang von Rechten (Vermögensgegenständen) und Pflichten beim Tod des Verfügenden auf einen oder mehrere andere Personen. Sie ist nicht geeignet zur Regelung von Vermögens- und sonstigen Angelegenheiten zu Lebzeiten.

Mögliche Bestandteile einer Vollmacht:

 

1.Vermögensvollmacht

2.Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten und 

Gesundheitsfragen

3.Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht

4.Betreuungsverfügung

5.Patientenverfügung

6.Äußerung zur Organspende

 

            Vermögensvollmacht (klassische Generalvollmacht):

Die Beurkundung (u.U. bloße notarielle Beglaubigung) ist immer dann zwingend, wenn Grundstücksgeschäfte, gesellschaftsrechtliche oder erbrechtliche Angelegenheiten in Frage kommen und aufgrund der Vollmacht möglicherweise geregelt werden müssen. Im übrigen ist die Beurkundung durch den Notar ratsam (Beweisgründe sind maßgebend, der Verdacht von Irrtümern ist besser ausgeschlossen.)

Möglich sind verschiedenste Varianten, von der klassischen umfassenden Generalvollmacht, Vollmachten beschränkt auf bestimmte Angelegenheiten (Hauptbeispiel: Bank- oder Kontovollmacht) oder Generalvollmachten mit Ausnahmebereichen.

Die Vollmacht ist grundsätzlich widerruflich. Unwiderruflichkeit ist nur mit Einschränkungen möglich (juristischer Giftschrank). Sie verdrängt nicht die eigene Regelungsmacht, eine verdrängende Vollmacht sieht unser Gesetz nicht vor.

Bei Geschäftsunfähigkeit wegen Krankheit bleibt die Vollmacht aber aufrecht erhalten, so dass wegen der Vollmacht noch jemand für den Kranken handeln kann. Nach § 1896 Abs. 2 s2 BGB muss dann in der Regel kein Betreuer bestellt werden. Nachteil der Betreuung ist: Das Gericht muss zur Bestellung eingeschaltet werden, dieses wählt den Betreuer aus, viele Geschäfte (bis hin zu einzelnen Kontoverfügungen) des Betreuers bedürfen der Genehmigung des Gerichts, der Betreuer muss aufwendige Berichte, Vermögensverzeichnisse und Abrechnungen erstellen. Mit all dem können beträchtliche Kosten verbunden sein. Wenn zur Vermeidung einer Betreuung eine Vollmacht erteilt wird, handelt es sich schon um eine Vorsorgevollmacht. Die Vollmacht wirkt über den Tod hinaus, so dass der Bevollmächtigte nach dem Tod des Vollmachtgebers noch tätig sein kann, bis die Erben die Vollmacht widerrufen.

Die Vollmacht sollte nach Möglichkeit unbedingt sein. Manche schlagen vor (häufiger Fehler) zu formulieren "Für den Fall, dass ich selber nicht mehr in der Lage bin, bevollmächtige ich, .......... " Diese Vollmacht ist bei jedem Notar und auch bei Grundstücksgeschäften nahezu unbrauchbar. Es kann nämlich vom Geschäftspartner bzw. Notar nicht festgestellt werden, ob der Vollmachtgeber "nicht mehr in der Lage ist". Bei Grundstücksgeschäften würde nicht einmal ohne weiteres ein psychiatrisches Gutachten (selbst dann können Zweifel bleiben) genügen, da das Bestehen der Vollmacht und der Eintritt der genannten Bedingung mit öffentlichen Urkunden nachgewiesen werden muss. Bei sorgfältigen und rechtlich informierten Geschäftspartnern stößt eine derartige Vollmacht ebenfalls auf Ablehnung.  

Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsfragen 

 

Hier kann die oben genannte Bedingung "wenn ich selber nicht mehr in der Lage bin " eingebaut werden. Partner dieser Geschäfte ist nämlich meist der Arzt oder der Arzt hat zumindest mit dem Geschäft (z. B. Heimunterbringung) zu tun. Dieser kann sich vom Vorhandensein der Bedingung ja überzeugen. Folgende Dinge können und sollten zum Teil zur Wirksamkeit  als Gegenstand der Vollmacht ausdrücklich genannt werden: AufenthaltsbestimmungUnterbringung im Alters- und Pflegeheim, Freiheit entziehende oder unterbringungsähnliche Maßnahmen, ärztliche Zwangsmaßnahmen,  Gesundheitsfürsorge, operative Eingriffe, auch bei Lebensgefahrrisiken oder des Risikos eines länger dauernden schweren gesundheitlichen Schadens, Verabreichung von Medikamenten, Untersuchung von Gesundheitszuständen, Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen (Die Entscheidung des Bevollmächtigten muss dann aber die Patientenverfügung beachten)Obduktion zur BefundklärungEin Teil der Maßnahmen ist seitens des Gerichts genehmigungsbedürftig (§ 1906 Abs. 5 BGB): nämlich medizinische Eingriffe mit lebensgefährlichen Risiken oder des Risikos einer länger dauernden schweren Gesundheitsschadens  und freiheitsentziehende oder beschränkende Maßnahmen, ärztliche Zwangsmaßnahmen oder Aufgabe einer Mietwohnung. Zur Wirksamkeit der Vollmacht in diesem Punkten, müssen die genannten Maßnahmen ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt werden. Eine pauschale Nennung (zB. „persönliche Angelegenheiten“) genügt nicht. 

Angesichts der Vollmacht in Gesundheitsfragen ist die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht vorausgesetzt. Trotzdem sollte sie ausdrücklich erfolgen und darüber hinaus auch der Umfang festgelegt werden. Sie soll sich auch auf sämtliche Unterlagen des Arztes und Dokumentationen bezüglich des Vollmachtgebers erstrecken.

          Betreuungsverfügung

Hier wird erklärt, dass der Bevollmächtigte oder ein anderer vom Gericht zum Betreuer bestellt werden soll, falls dies trotz der Vollmacht ausnahmsweise nötig ist. Nach dem Gesetz ist jeder, der eine Betreuungsverfügung vorfindet, verpflichtet, diese dem zuständigen Gericht abzugeben. Dies gilt übrigens auch für Testamente. In der notariellen Vorsorgevollmacht ist die Betreuungsverfügung nahezu unnötig und fast sinnlos, jedenfalls dann wenn der Bevollmächtigte auch als Betreuer benannt wird. Sie verursacht Zusatzkosten. 

          Patientenverfügung

 

In Patientenverfügungen wird schriftlich zum Ausdruck gebracht, dass bei lebensbedrohenden Krankheiten, die in absehbarer Zeit zum Tod führen, bestimmte medizinische Maßnahmen unerwünscht sind bzw. abgebrochen werden. Es sind verschiedenste Modelle am „Markt“. Denkbar wäre zu wünschen, dass alles erdenkliche getan werden muss, um das Leben aufrecht zu erhalten, die Ablehnung von Fremdblutübertragung, der Wunsch nur mit homöopathischen Mitteln behandelt zu werden und vieles mehr. Weit verbreitet und üblich sind seit einiger Zeit Patientenverfügungen, mit denen auf einen kurzen Nenner gebracht, eine „künstliche Lebensverlängerung“ für unerwünscht erklärt wird.

Im Jahr 2009 wurde nach langem hin und her sowie Diskussion in Wissenschaft und Politik die Patientenverfügung erstmals geregelt in § 1901a BGB.

Wie muss die Patientenverfügung danach aussehen, was ist erforderlich:

- Sie muss schriftlich sein.

- Der Urheber muss volljährig und einwilligungsfähig sein, d.h. er muss also in der Lage sein, Art, Bedeutung, Tragweite, und auch Risiken der Maßnahme zu erfassen und seinen Willen hiernach zu bestimmen.

- In der Patientenverfügung müssen konkrete Wünsche enthalten sein. Allgemeine Formulierungen wie „keine künstliche Lebensverlängerung genügen nicht. Vielmehr müssen konkrete Maßnahmen wie z.B. künstliche Beatmung, Reanimation, künstliche Wasser- und Nahrungszufuhr, Sauerstoffzufuhr, künstliche Beatmung, Medikation, Bluttransfusion und Dialyse, Behandlung von Begleiterkrankungen durch Medikamente insbesondere durch Antibiotika als unerwünscht erklärt werden.

-Fachkundige Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung durch einen Arzt, fachkundige Verbände, Selbsthilfegruppen oder Notare ist erwünscht und ratsam, aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.

- Ort und Zeit der Errichtung der Patientenverfügung sollten ebenfalls angegeben sein (Wiederum nicht Wirksamkeitserfordernis). Damit soll die Patientenverfügung in die Lebensumstände des betroffen einordenbar sein.

Bei einer Änderung der Lebensumstände sollte eine Patientenverfügung möglichst überprüft und vielleicht auch bestätigt werden.

Eine wiederholte Bestätigung in Zeitabständen verlangt das Gesetz aber nicht. Derartiges ist eher nicht ratsam.

Die Voraussetzungen unter denen die Patientenverfügung gilt, sollten angegeben werden, z.B. der Sterbeprozess, Ausfall lebenswichtiger Funktionen, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zum Tod führen, oder Dauerleiden, z.B. Koma, das eine Teilnahme am sozialen Leben unmöglich macht, abhängig macht von Apparaturen und nach der Prognose der Ärzte nicht behebbar ist.

Sinnvoll ist die Angabe besonderer Lebensumstände.

Trotz einer wirksamen Patientenverfügung hat der Arzt, auch der Bevollmächtigte, zu prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung noch auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Patienten passen. Nur dann darf sie beachtet werden.

Stufe1: In einer ersten Stufe hat der behandelnde Arzt zu prüfen, ob die Patientenverfügung obigen Kriterien entspricht und wirksam ist.

Stufe 2 der Prüfung durch den Arzt (§ 1901a Abs. 2):

Falls keine Patientenverfügung vorliegt oder wenn sie nicht der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entspricht, muss gleichwohl versucht werden, die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Wille des Patienten festzustellen. Es muss nach konkreten Anhaltspunkten gesucht werden, frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen ethische und religiöse Überzeugungen des Patienten oder sonstige Wertvorstellungen können jetzt zum tragen kommen, auch eine nicht wirksame Patientenverfügung

Muss eine Patientenverfügung von den Ärzten beachtet werden?

Dies hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 schon bejaht.

Auch in den gesetzlichen Regeln der neuen §§ 1901 a ff. BGB ist dies vorausgesetzt. Das Gesetz sagt, dass der Patientenwille Grundlage der Entscheidung sein muss. Das Gesetz verlangt vom Arzt, dass er nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen Gelegenheit zur Äußerung geben muss, sofern dies zeitlich möglich ist.

 

         Organspende 

 

Diese wird ist bei älteren Menschen auch in hohem Alter erwünscht. Organspendeempfänger sind überwiegend ebenfalls ältere Menschen. Beachtet werden muss, dass bei einer Bereitschaft zur Organspende erklärt werden muss, dass die Organspende dem Wunsch auf die Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen vorgeht, soweit das zum Zweck der Organspende notwendig ist. 

Wer die medizinische Forschung und Lehre fördern will, kann sich noch zu Obduktion und Sektion äußern.

 

Zur Person des Bevollmächtigten

 

Bei Eheleuten bietet es sich an, dass beide sich gegenseitig bevollmächtigen. Insbesondere bei der Altersvorsorgevollmacht besteht der Nachteil darin, dass auch der Ehepartner gesundheitlich schlecht oder gar nicht in der Lage ist, die in der Vollmacht vorgesehenen Geschäfte zu erledigen. Zusätzlich sollte daher, wenn das nötige Vertrauen besteht, auch ein Kind bevollmächtigt werden.

 

Es bieten sich deshalb auch eigene Kinder oder volljährige Enkel an. Es können auch zwei oder mehrere Personen gleichzeitig bevollmächtigt werden in der Form, dass beide nur gemeinsam und übereinstimmend tätig sein können (Vieraugenprinzip). Letzteres ist in der Regel aber weniger empfehlenswert.

 

Die Vorsorgevollmacht ist in welcher Variante auch immer Vertrauenssache. Der Vollmachtgeber muss sich auf den oder die Bevollmächtigten absolut verlassen können. Bleiben daran auch nur geringe oder subjektive Zweifel ist die gerichtlich angeordnete Betreuung, bei der der Betreuer in den wichtigen Angelegenheiten vom Vormundschaftsgericht überwacht, aber vor allem auch beraten wird, der richtige Weg.

 Was ändert sich durch das neue Gesetz - in 30 Sekunden erklärt


 

Kosten

Die Kosten des Notars halten sich in Grenzen.

Zur Vermeidung von Fehlern und Missverständnissen, die bei Geschäftsunfähigkeit, also bei schweren Erkrankungen, nicht mehr reparabel sind, ist der Gang zum Notar dringend zu empfehlen, bei Grundbesitz unausweichlich. Auch kann zu einem Gespräch mit dem Hausarzt über eine Patientenverfügung nur geraten werden.

Die Kosten richten sich entsprechend der Gebührentabelle zur Kostenordnung nach dem Wert des Vermögens des Vollmachtgebers, im Allgemeinen sind zu berücksichtigen die Ersparnisse und der Wert von Grundvermögen (vorsichtig selbst geschätzt).

 

 

Bei einer Vorsorgevollmacht ohne Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht fallen folgende Gebühren an:

Wert des Vermögens bis:

Mindesgebühr:        60,- Euro 

110.000,-Euro:      273,- Euro

260.000,-Euro:      535,- Euro*

500.000,-Euro:      935,- Euro*

Maximal:              1.735,- Euro*

Hinzu kommt jeweils die gesetzliche Mehrwertsteuer.

Bei einer Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht fallen folgende Gebühren an:

Wie oben, aber es kommt jeweils eine Gebühr von 60,- Euro dazu.

Wenn die Vorsorgevollmacht bei der Deutschen Notarkammer registriert wird, stellt diese einmalig eine Gebühr von 13 Euro in Rechnung, wenn die Daten vom Notariat eingereicht werden.

 Muster für Vorsorgevollmachten und Patienverfügungen

Vorsorgevollmacht#

         z.B. unter bmj.de unter Publikationen,  Betreuungsrecht, Vorsorgevollmacht Seite 58. (zum Ankreuzen)

 Patientenverfügungen

         z.B. unter bmj.de (unter Patientenverfügung am Ende der Seite 34 (komplex)  und 38 (einfacher))

Registrierung

         Vorsorgeregister.de