Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen

(Bernhard Götz. Notar a.D.)

 

Vorsorgevollmachten gehen nicht nur Senioren, die sich allerdings am häufigsten dafür interessieren, sondern auch jüngere Menschen an. Letztere können bei schweren Krankheiten, Unfällen oder weiten Reisen Vorsorgevollmachten, zumindest einfache Vollmachten nötig haben. Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen sind erst seit neuerer Zeit "in".

Vorsorgevollmachten wurden nämlich mit dem Betreuungsgesetz (BtG) vom 12.9.1990, mit dem Vormundschaften und Pflegschaften abgeschafft wurden und durch das einheitliche Institut der Betreuung ersetzt wurden, ausdrücklich im Gesetz erwähnt, besonders gefördert und für erwünscht erklärt. Mit den Vorsorgevollmachten sollen die aufwendigen staatlichen Betreuungen, die durch die Vormundschaftsgerichte angeordnet und überwacht werden müssen, nach Möglichkeit vermieden werden.

Patientenverfügungen rückten ins Blickfeld des Interesses durch den Fortschritt der Medizin in den letzten 30 Jahren. Deshalb ist das ganze Rechtsgebiet noch in der Bewegung der Meinungen. Mit neuen Entwicklungen ist weiterhin noch zu rechnen.

Zur Abgrenzung und Unterscheidung folgende Übersicht:

  1. Unterscheidung Vorsorgevollmacht / letztwillige Verfügung

Die Vorsorgevollmacht                              Die letztwillige Verfügung:

                                                                     (Testament)

sorgt für den Vollmachtgeber selbst.       bewirkt den Übergang von

Sie stellt die Erledigung von Rechts-       Rechten (Vermögensgegen-

geschäften zu Lebzeiten sicher.               Ständen) und Pflichten beim

                                                                     Tod des Verfügenden auf

                                                                     einen oder mehrere andere

                                                                     Personen.

Sie ist grundsätzlich nicht geeignet zur  Sie ist nicht geeignet zur

Übertragung von Vermögen auf den       Regelung von Vermögens-

Bevollmächtigten, auch nicht für den        und sonstigen Angelegen-

Todesfall                                                      heiten zu Lebzeiten

Auch die Patientenverfügung hat mit einem Testament nichts gemeinsam, da Verhältnisse zu Lebzeiten geregelt werden.

 

  1. Mögliche Bestandteile einer Vollmacht:
  1. Vermögensvollmacht
  2. Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsfragen
  3. Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht
  4. Betreuungsverfügung
  5. Patientenverfügung
  6. Äußerung zur Organspende

 

  1. Vermögensvollmacht (klassische Generalvollmacht)

Die Beurkundung (u.U. bloße notarielle Beglaubigung) ist immer dann zwingend, wenn Grundstücksgeschäfte, gesellschaftsrechtliche oder erbrechtliche Angelegenheiten in Frage kommen und aufgrund der Vollmacht möglicherweise geregelt werden müssen. Im übrigen ist die Beurkundung durch den Notar ratsam (Beweisgründe sind maßgebend, der Verdacht von Irrtümern ist besser ausgeschlossen.)

Möglich sind verschiedenste Varianten, von der klassischen umfassenden Generalvollmacht, Vollmachten beschränkt auf bestimmte Angelegenheiten (Hauptbeispiel: Bank- oder Kontovollmacht) oder Generalvollmachten mit Ausnahmebereichen.

Die Vollmacht ist grundsätzlich widerruflich. Unwiderruflichkeit ist nur mit Einschränkungen möglich (juristischer Giftschrank). Sie verdrängt nicht die eigene Regelungsmacht, eine verdrängende Vollmacht sieht unser Gesetz nicht vor.

Bei Geschäftsunfähigkeit wegen Krankheit bleibt die Vollmacht aber aufrecht erhalten, so dass wegen der Vollmacht noch jemand für den Kranken handeln kann. Nach § 1896 Abs. 2 s2 BGB muss dann in der Regel kein Betreuer bestellt werden. Nachteil der Betreuung ist: Das Gericht muss zur Bestellung eingeschaltet werden, dieses wählt den Betreuer aus, viele Geschäfte (bis hin zu einzelnen Kontoverfügungen) des Betreuers bedürfen der Genehmigung des Gerichts, der Betreuer muss aufwendige Berichte, Vermögensverzeichnisse und Abrechnungen erstellen. Mit all dem können beträchtliche Kosten verbunden sein.

Wenn zur Vermeidung einer Betreuung eine Vollmacht erteilt wird, handelt es sich schon um eine Vorsorgevollmacht.

Die Vollmacht wirkt über den Tod hinaus, so dass der Bevollmächtigte nach dem Tod des Vollmachtgebers noch tätig sein kann, bis die Erben die Vollmacht widerrufen.

Die Vollmacht sollte nach Möglichkeit unbedingt sein. Manche schlagen vor (häufiger Fehler) zu formulieren "Für den Fall, dass ich selber nicht mehr in der Lage bin, bevollmächtige ich, .......... " Diese Vollmacht ist bei jedem Notar und auch bei Grundstücksgeschäften nahezu unbrauchbar. Es kann nämlich vom Geschäftspartner bzw. Notar nicht festgestellt werden, ob der Vollmachtgeber "nicht mehr in der Lage ist". Bei Grundstücksgeschäften würde nicht einmal ohne weiteres ein psychiatrisches Gutachten (selbst dann können Zweifel bleiben) genügen, da das Bestehen der Vollmacht und der Eintritt der genannten Bedingung mit öffentlichen Urkunden nachgewiesen werden muss. Bei sorgfältigen und rechtlich informierten Geschäftspartnern stößt eine derartige Vollmacht ebenfalls auf Ablehnung.

 

 

  1. Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten und Gesundheitsfragen

Hier kann die obengenannte Bedingung "wenn ich selber nicht mehr in der Lage bin " eingebaut werden. Geschäftspartner dieser Geschäfte ist nämlich meist der Arzt oder der Arzt hat zumindest mit dem Geschäft (z. B. Heimunterbringung) zu tun. Dieser kann sich vom Vorhandensein der Bedingung ja überzeugen.

Folgende Dinge können als Gegenstand der Vollmacht ausdrücklich genannt werden:

Aufentshaltsbestimmung

Unterbringung im Alters- und Pflegeheim

freiheitsentziehende oder unterbringungsähnliche Maßnahmen

Gesundheitsfürsorge, operativer Eingriffe, auch bei Lebensgefahrrisiken, Verabreichung von Medikamenten,

Untersuchung von Gesundheitszuständen

Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen

(Die Entscheidung des Bevollmächtigten muss dann aber die Patientenverfügung beachten)

Obduktion zur Befundklärung

Ein Teil der Maßnahmen ist seitens des Gerichts genehmigungsbedürftig (§1906 Abs. 5): nämlich medizinische Eingriffe mit lebensgefährlichen Risiken und freiheitsentziehende oder beschränkende Maßnahmen.

Zur Wirksamkeit der Vollmacht in diesem Punkten, müssen die genannten Maßnahmen auch ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt werden. Eine pauschale Nennung (zB. Persönliche Angelegenheiten) genügt nicht.

 

  1. Betreuungsverfügung

Hier wird erklärt, daß der Bevollmächtigte oder ein anderer vom Gericht zum Betreuer bestellt werden soll, falls dies trotz der Vollmacht ausnahmsweise nötig ist. Nach dem Gesetz ist jeder, der eine Betreuungsverfügung vorfindet, verpflichtet, diese dem zuständigen Gericht abzugeben. Dies gilt übrigens auch für Testamente. In der Vorsorgevollmacht ist die Betreuungsverfügung nahezu unnötig und fast sinnlos, jedenfalls dann wenn der Bevollmächtigte auch als Betreuer benannt wird. Sie verursacht Zusatzkosten.

 

  1. Patientenverfügung

In Patientenverfügungen wird schriftlich zum Ausdruck gebracht, daß bei lebensbedrohenden Krankheiten, die in absehbarer Zeit zum Tod führen, bestimmte medizinische Maßnahmen unerwünscht sind bzw. abgebrochen werden.

Es sind verschiedene Modelle am Markt:

Denkbar ist, dass man nur dem Arzt vertraut und diesen entscheiden läßt,
(Modell 1 in der Anlage)

oder dass man eine zurückhaltende Patientenverfügung trifft, wie sie etwa die deutsche Bischofskonferenz und der Rat der evangelischen Kirchen Deutschlands empfehlen, oder

(Modell 2 in der Anlage)

dass man sehr konkrete Wünsche, über das, was man nicht will, äußert.

Zum ersteren (nicht unbedingt unvernünftig) ist wenig zusagen.

Die Bischofskonferenz und der Rat der evangelischen Kirchen empfiehlt folgendes zu schreiben:

(Modell 1)

Für den Fall, dass ich nicht mehr in der Lage bin, meine Angelegenheiten selbst zu regeln, verfüge ich:

An mir sollen keine lebensverlängernden Maßnahmen vorgenommen werden, wenn medizinisch festgestellt ist,

dass ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Maßnahme das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf erfolgreiche Behandlung verlängern würde, oder dass es zu einem nicht behebbaren Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt, der zu Tod führt.

Dann wird positiv geäußert, dass schmerzlindernde Behandlung (auch mit Risiken) sowie ordentliche Pflege und seelsorgerischer Beistand gewünscht sind. Eine intensivmedizinische Behandlung wird so wohl bei Aussichtslosigkeit verhindert.

Ärzte gehen in der Regel davon aus, dass sonstige ärztliche Maßnahmen wie Sauerstoffzufuhr, Dialyse, Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr nur bei ausdrücklichen Verzicht unterbleiben können, weil es sich um die Grundversorgung für die Betroffenen handelt.

Deshalb werden Patientenverfügungen (Modell 2) vorgeschlagen, nach denen im Falle zum Tod führender Krankheiten, bei denen keine Aussicht auf Besserung mehr besteht und nur Qualen zu erwarten sind, nicht nur ausdrücklich auf Intensivmedizin verzichtet wird, sondern auch auf

Reanimation,

künstliche Wasser- und Nahrungszufuhr,

Sauerstoffzufuhr,

künstliche Beatmung,

Medikation,

Bluttransfusion und

Dialyse

und dies für unerwünscht erklärt wird bzw. der Abbruch verlangt wird.

Letztere Variante wird nicht selten von Rechtssuchenden gewünscht. Sie ist teilweise nicht problemfrei. Im Vorschlag der Kirchen ist "menschenwürdige Unterbringung, umfassende Körperpflege sowie das Stillen von Hunger und Durst" selbstverständlich und steht dort nicht zur Disposition.

Die Angelegenheiten sind heikel. Ältere Menschen wünschen oft, dass sie keinesfalls anderen zur Last fallen. Vorschläge nach dem letzten Modell können einen ethisch unerwünschten und ungewollten Druck auf ältere Menschen in Richtung baldiges Sterben darstellen. Eine freie Entscheidung kann so fraglich werden. Diesem Problem will offensichtlich der Vorschlag der Kirchen besonders Rechnung tragen.

Bei Ärzten ist auch umstritten, inwieweit Patientenverfügungen für sie bindend sind. Nach der herrschenden Meinung unter den Ärzten kommt es auf den aktuellen Willen des Patienten an. Die (frühere) Patientenverfügung wird nur als eine Art Indiz, wenn auch gewichtiges Indiz, für einen entsprechenden aktuellen Willen des Patienten angesehen. Auch setzen die Ärzte voraus, dass derjenige, der eine weitgehende Patientenverfügung unterzeichnet hat, über die Tragweite medizinisch aufgeklärt ist. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen ausdrücklich bestätigt, dass Patientenverfügungen vom Arzt beachtet werden müssen.

 

Deshalb sollte, wenn schon, dokumentiert sein, dass der Verfügende sich medizinisch informiert hat.

Ein wiederholtes Unterschreiben der Patientenverfügung ist eher nicht ratsam, da man das ganze aus dem Auge verlieren kann, was dann mit großer Wahrscheinlichkeit die Patientenverfügung für Ärzte fragwürdig machen kann.

 

  1. Organspende

Dies wird eher selten sein bei älteren Menschen. Wer die medizinische Forschung und Lehre fördern will, kann sich noch zu Obduktion und Sektion äußern.

 

  1. Zur Person des Bevollmächtigten

 

Bei Eheleuten bietet es sich an, dass beide sich gegenseitig bevollmächtigen. Insbesondere bei der Altersvorsorgevollmacht besteht der Nachteil darin, dass auch der Ehepartner gesundheitlich schlecht oder gar nicht in der Lage ist, die in der Vollmacht vorgesehenen Geschäfte zu erledigen. Zusätzlich sollte daher, wenn das nötige Vertrauen besteht, auch ein Kind bevollmächtigt werden.

 

Es bieten sich deshalb auch eigene Kinder oder volljährige Enkel an. Es können auch zwei oder mehrere Personen gleichzeitig bevollmächtigt werden in der Form, dass beide nur gemeinsam und übereinstimmend tätig sein können (Vieraugenprinzip). Letzteres ist in der Regel aber weniger empfehlenswert.

 

Die Vorsorgevollmacht ist in welcher Variante auch immer Vertrauenssache. Der Vollmachtgeber muss sich auf den oder die Bevollmächtigten absolut verlassen können. Bleiben daran auch nur geringe oder subjektive Zweifel ist die gerichtlich angeordnete Betreuung, bei der der Betreuer in den wichtigen Angelegenheiten vom Vormundschaftsgericht überwacht, aber vor allem auch beraten wird, der richtige Weg.

 

 

 

 

4. Kosten

 

 

Die Kosten des Notars halten sich in Grenzen.

 

Zur Vermeidung von Fehlern und Missverständnissen, die bei Geschäftsunfähigkeit, also bei schweren Erkrankungen, nicht mehr reparabel sind, ist der Gang zum Notar dringend zu empfehlen, bei Grundbesitz unausweichlich. Auch kann zu einem Gespräch mit dem Hausarzt über eine Patientenverfügung nur geraten werden.

Die Kosten richten sich entsprechend der Gebührentabelle zur Kostenordnung nach dem Wert des Vermögens des Vollmachtgebers, im allgemeinen sind zu berücksichtigen die Ersparnisse und der Wert von Grundvermögen (vorsichtig selbst geschätzt).

 

Bei einer Vollmacht mit oder ohne Betreuungs- und Patientenverfügung fallen beispielsweise folgende notarielle Kosten an:

 

Wert des Vermögens: mit: ohne:

10.000,-Euro 53,- Euro 27,- Euro

100.000,-Euro 129,50 Euro 103,50 Euro

250.000,-Euro 242,- Euro 216,- Euro

500.000,-Euro 429,50 Euro 403,50 Euro

Hinzu kommt jeweils die gesetzliche Mehrwertsteuer.

Eine einzelne Patientenverfügung verursacht ohne Rücksicht auf den Wert des Vermögens grundsätzlich einheitlich Kosten von ca. 25,00 Euro zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer.